Weihnachtsabend, Fest der Kleinen, Wie sie harren auf dein Erscheinen! Wie mit freudenroten Wangen Jubelnd laut sie dich umfangen! Weihnachtsabend, bei arm und reich, Überall grünt dein Tannenzweig; Überall brennen deine Kerzen, Überall schlagen kleine Herzen,
Strecken hastig kleine Hände Sich entgegen deiner Spende! Überall grüßt dich, wo es sei, Weihnachtsabend, ein Freudenschrei! Weihnachtsabend, Fest der Kleinen! Dorther grüßt dich leises Weinen, Dort, wo Schottlands klarer Tweed Rauscht durch Cheviots Waldgebiet-
Wo sich zwischen Felsenengen Coldstreams Huuml;tten zusammendrängen, Dort im Stübchen, arm und kahl, In der Dämmerung matten Strahl, Wacht ein Kind am Schmerzenslager, Drauf die Mutter, blass und hager, Ächzt und stöhnt in Fieberqual. Arme Mary! Zehnmal kaum Sah sie blühen den Apfelbaum, -
Und schon gelben Sturm und Wetter Ihr des Lebensbaumes Blätter. Sorgend sitzt sie, horcht und lauscht, Wie der Mutter Pulsschlag rauscht, Blickt im Dunkeln scheu umher, Und, das Herz von Kummer schwer, Grüßt sie still mit leisem Weinen, Weihnachtsabend, dein Erscheinen!
Durch die rauchgeschwärzten Scheiben Irrt ihr Blick und starrt hinaus In des Nachtgewölkes Treiben. Sieh! da geht im Nachbarhaus Licht an Licht auf, hell wie Sterne, Weihnachtsjubel schallt von ferne, Froher Spiele Saus und Braus.
Und vor Kummer und vor Sehnen Heißer fließen Marys Tränen, Und ihr Herz wird trüb und trüber. Horch! - Da schallt das Lied herüber, Das zur Weihnachtsfeierstunde Dorten geht von Mund zu Munde. Also weht’s von ferne her
"Im Kloster von Innisfare Da tönt nicht Chor noch Orgel mehr; Die schlimmen Sachsen warfen’s nieder. Seitdem erhob es sich nicht wieder. In Trümmern liegt’s, mich dauert’s sehr,
Das Kloster von Innisfare Nur eine Kapelle ist übrig mehr; Drin hängt ein Glöcklein von gutem Klange; Zieht einer zur rechten Zeit am Strange, Wirkt’s Wunder rings im Land umher - Das Glöcklein von Innisfare.
Das Glöcklein von Innisfare! Und liegt ein Kranker danieder schwer, Dass er wieder euch gesunde, In der Christnacht zwölfter Stunde Zieht das Glöcklein, ich rat’ euch’s sehr, Das Glöcklein von Innisfare."
Leise war das Lied verklungen, Und ein Seufzer, dumpf und schwer, Tief vom Herzen losgerungen, Tönt vom Schmerzenslager her. Und der Worte mächtig kaum, Stammelt die Kranke im Fiebertraum:
"Ja, die Glocke von Innisfare! Wenn noch dein Vater am Leben wär’, Dass er das Glöcklein mir läuten ginge, So entkäm’ ich des Todes Schlinge, Müsste nicht hier in Not verderben. Mary, mein Kind, da müsst’ ich nicht sterben, Wenn der Vater noch am Leben wär’." Spricht’s und sinkt zurück wieder, Und Erschöpfung, bleiern schwer, Lähmt die Zunge, lähmt die Glieder, Schweigend senkt die Nacht sich nieder, Rings ersterben Sang und Tanz, Festgejubel und Lichterglanz. - Stille wird’s in allen Huuml;tten, Christnacht kommt heran geschritten. Durch Coldstreams Schlucht weht Sturmgebraus Und löscht am Himmel die Sterne aus. Schnee wirbelt nieder, dicht und schwer, Elf Schläge dröhnen vom Turme her. Der Riegel klirrt, es knarrt die Tür. Wer wagt ins Freie sich herfür? Wer wagt in die wilde Nacht sich hinaus, In Schneegestöber und Sturmgebraus? Ein Mädchen ist’s, zart, schmächtig, klein; Wohl hüllt es in sein Tuch sich ein, Doch gibt’s die Füße nackt dem Eis, Die blonden Locken dem Sturme preis. Ein Stab bewehrt die eine Hand, Die andre hält der Leuchte Brand. So eilt sie hin, rasch wie der Wind, Und riet’ ihr einer: "Steh still, mein Kind! Der Sturm verweht dich in seiner Flucht, Der Schnee begräbt dich mit seiner Wucht, Kehr’ heim ins schützende Gemach, Drauf spräch’ sie nur: "Habt schönen Dank! Die Mutter liegt daheim schwerkrank! Muss läuten das Glöcklein von Innisfare, Mein Vater ist nicht am Leben mehr." Das spräche sie und eilte fort. - Nehm’ Gott sie denn in seinen Hort! |
Was aber, horch! trabt hintendrein? Sollt’ es ihr treuer Haushund sein? Doch dünkt mich fast das graue Tier Ein Wolf. Nun ist’s vorbei mit ihr! Schon naht er knurrend und fletscht den Zahn Und fasst ihr Plaid und springt sie an.
Da weicht ihm unterm Fuß der Grund, Er sinkt in der Wolfsgrub’ offnem Schlund. Die Decke, die unter dem Kinde nicht brach, Sie gab bei dem Sprung des Tieres nach; Ihr Plaid nur zerrt’s mit sich hinab. Sie aber, sich kreuzend, im raschen Trab Eilt mutig weiter hinab, hinauf, - Bergan, bergunter im flücht’gen Lauf!
Wohl trieft ihr Röcklein, wohl trieft ihr Haar, Wohl steht auf der Stirne der Schweiß ihr klar, Wohl wirbelt der Schnee rings schwer und dicht, Sie achtet’s nicht, sie weiß es nicht, - Nach Innisfare nur steht ihr Sinn. Doch halt! - Wo trug ihr Fuß sie hin? Weil ihr die Leuchte dort zerbrach, Ging irrend falschem Pfad sie nach.
Das Kloster liegt drüben auf der Höh’, Und sie - steht unten tief am See. Wenn Eis auch die Fluten in Fesseln legt, Wer weiß, ob’s hält, wer weiß, ob’s trägt? Und soll sie zurücke? - Nimmermehr! Da dröhnen drei Schläge vom Dorfe her.
"Drei Viertel auf zwölf! - So helf’ mir Gott! Ich muss hinüber, und wär’ es mein Tod!" Da ist sie schon am Uferrand - Halt ein, mein Kind, und bleib am Land! Das Eis ist dünn, noch ist es Zeit - Schon kracht’s und prasselt’s weit und breit - Da bricht’s - ein Schrei! - Nehm’ deine Huld sie gnädig auf, die rein von Schuld! - Doch nein, noch flimmert ihr weiß Gewand, Von Scholle zu Scholle springt sie ans Land.
Nun ist sie drüben, und nun im Lauf Stürmt sie den Klosterberg hinauf. - Nun ist sie oben, nun ist’s erreicht, Nun schlägt das Herz ihr frei und leicht, Nun atmet sie auf, tief - frei - und lang, Es ist vollbracht der schwere Gang. Und vorwärts dringt in voller Lust Sie durch der Trümmer Schutt und Wust. Nur eine Kapelle ist übrig mehr, Dort ragt ihr spitzes Türmlein her, Und aus dem Türmlein glänzt von fern die Glocke her, ein Rettungsstern.
Die Tür steht offen. - Sie tritt hinein. - Nun lass das Werk vollendet sein! Zieh an das Glöcklein, dass es klingt Und deine Mutter Genesung bringt!
Was säumst du, Kind, was suchst du lang? Greif zu! Herr Gott! Es fehlt der Strang! Zu ihren Füßen liegt im Staub Sein karger Rest, des Moders Raub; Die Treppe stürzte ein im Brand, Die sonst empor zum Turm sich wand. Kein Weg, kein Steg, der aufwärts führt, Kein Hebel, der die Glocke rührt! Du armes Kind! Des Sturms Gebraus Pfeift durch die Mauern und höhnt dich aus. Vergebens kamst du durch Wind und Schnee, Vergebens drangst du über den See, Vergebens streckst du die Arme dein Zur Glock’ empor! - Es soll nicht sein! - Im Dorfe schlägt es Mitternacht, - Der Himmel will’s nicht, sein ist die Macht!
Starr stand das Kind, doch wie’s vernahm Den Stundenschlag, zu sich es kam Und wirft sich nieder auf den Stein Und faltet fromm die Hände klein, Und betet: "Liebes Christkind Du! Hör’ gnädig der armen Mary zu! Die Mutter sagt - so ist’s auch wahr - Du kämst zu uns Kindern Jahr für Jahr, Du gingst vorbei an der Schlimmen Haus, Den Frommen teilest du Gaben aus. So bitt’ ich denn, vergiss nicht mein, Christkind, in Deinem Strahlenschein! Und weil ich heuer nichts bekomme - Und war doch eines von den Frommen - So bitt’ ich dich, gewähre mir Nur ein paar Schläge der Glocke hier, Dass mir die Mutter am Leben bleib’ Und neu sich stärk’ ihr siecher Leib! Gewähr’ der armen Mary dies, Ich heiß’ ja, wie deine Mutter hieß."
Und spricht’s - und heiß vom Antlitz rinnt Ein Tränenstrom dem armen Kind. Und eh im Dorf noch der zwölfte Schlag Verkündet einen neuen Tag, Da plötzlich regt sich’s, Da - horch - bewegt sich’s, - Da schwingt sich’s im Kreise, - Da schallet leise Ein Schlag - noch einer, und noch mehr - Da läutet die Glocke von Innisfare. Das tat der Sturm nicht, Des rohe Macht Dahintobt brausend durch die Nacht. Das ist der Herr, der Gewährung nickt Dem Kind, das gläubig aufwärts blickt!
Und wie hinaus über Berg und Wald Mit mächtigem Ruf die Glocke schallt, Da mischt sich dem Kinde wie Engelgesang Der Mutter Stimme in ihren Klng.
"Gerettet!" - weht’s ihm von ferne her Ins Geläute der Glocke von Innisfare. |